Medienarchiv

Willy Brandt wurde zum Bundeskanzler gewählt. Von März bis September 1969 hatte Günter Grass seine Tour durch die Lande im Westen absolviert, vor 60.000 Leuten auf 60 Veranstaltungen über die Sozialdemokratische Wählerinitiative Stimmen für Brandt gesammelt. Schon vier Jahre zuvor war der berühmte Schriftsteller unterwegs gewesen, um für die SPD zu trommeln. Günter Grass die Multi-Begabung, der auch politisch denkende und handelnde Mensch: Wahlkämpfer, streitbarer Part der literarisch-politischen Gruppe 47 und Mitherausgeber von L'76, einer Zeitschrift für Demokratie und Sozialismus. Schriftsteller, so die frühe Meinung von Grass, sollten sich nicht anmaßen, das moralische ``Gewissen der Nation`` zu sein, sondern sich als ``Staatsbürger mit besonderen Fähigkeiten`` an der praktischen Politik beteiligen. Diese, so Grass, dürfe man nicht allein den Parteien überlassen.

Ein Jahr zuvor hatte der Bremer SPD-Senator Henning Scherf erfolglos versucht, Grass für den Bürgerschaftswahlkampf in der Hansestadt zu gewinnen. Jahrzehnte später, nämlich 2003, bot sich der Literat von sich aus an, die SPD für die Bürgerschaft (Landtag) zu unterstützen. Diesmal wurde er abgewiesen.

Günter Grass war jemand, an dem sich auch Karikaturisten abgearbeitet haben. Diese Zeichnung stammt von Harm Bengen. Hintergrund ist das 2012 veröffentlichte Gedicht ``Was gesagt werden muss``, in dem sich Grass kritisch mit der israelischen Regierungspolitik auseinandersetzt. Daraufhin verhängt der Staat Israel ein Einreiseverbot gegen ihn. Es war Günter Grass, der als ersten deutscher Schriftsteller nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern 1965 den Judenstaat besuchte. Damals begrüßten sowohl Ministerpräsident Levi Eschkol als auch Staatspräsident Salman Schasar den deutschen Gast.

``Seit Jahren
liegt eine Last auf meinem Land.
Versteinerter Brei, klebfest,
nicht abzuwählen.``

Aus: Fundsachen für Nichtleser, 1997, Steidl Verlag