Frühjahrs-Journal 2022

Der Krieg gegen die Ukraine überrollt gerade die Generation, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt hat, legt lange Verdrängtes, fast schon Vergessenes in der Seele frei. Doch Unruhe und Beklemmung haben sich inzwischen überall eingenistet; die Situation ist zum Verzweifeln. Da möchte man “entfliehen” (und schämt sich für die Wortwahl, wenn man an die vielen Flüchtlinge in diesen Tagen denkt) – zumindest eine Weile nichts hören und sehen vom realen Geschehen. Die Erzählung “Das Treffen in Telgte” von Günter Grass ist etwas, das einen weit fortträgt – in eine andere Zeit, die ebenfalls noch kriegerisch ist, gewiss, aber auch das Leben feiert, mit Lust und Geist und mancherlei Derbem. Es ist das Jahr 1647; in einem fiktiven Treffen von deutschen Barockdichtern und Gelehrten in Telgte bei Osnabrück tauschen sich die Künstler über ihre Arbeiten aus, diskutieren ihre Machtlosigkeit in der Gesellschaft und ringen sich am Ende zu einem gemeinsamen Friedensappell durch…